Das ABC der Kundengewinnung (Teil 7)
Aufmerksamkeit um jeden Preis zu minimalen Kosten – das ist der Kern des heute fokussierten Guerilla-Marketings.
Um möglichst schnell und zielgerichtet eine große Aufmerksamkeit bei potenziellen neuen Kunden zu erregen, bieten sich besonders spektakuläre Maßnahmen des sog. "Guerilla-Marketings" an. Unter diesem Oberbegriff werden alle Maßnahmen zusammengefasst, die die Zielgruppe mit unkonventionellen Methoden über unkonventionelle Kanäle erreicht. Dies findet häufig am Rande der Legalität statt und erfordert ein enormes Maß an Kreativität, Mut bzw. auch die Bereitschaft, eventuelle Abmahnungen oder Strafen hinzunehmen. Eine exakte Definition gibt uns Wikipedia.
Taktiken des Guerilla-Marketings
Nach Wikipedia gibt es (auszugsweise) folgende Beispiele für Taktiken:
- Mundpropaganda
- den Konsumenten bei seiner täglichen Tätigkeit erreichen, z. B. durch E-Mails
- Sticker- und Plakat-Kampagnen
- „Stirn/Headvertise“-Kampagnen
- Bluejacking: Senden einer persönlichen Nachricht via Bluetooth
- Fahrzeugwerbung
- T-Shirts
- Schleichwerbung
- Werbung auf dem Kassenbon
- Streetbranding: Einbringen von Schablonenbildern o.Ä. in Straßen oder Wände
- Projektion von Bildern, Texten oder Videos auf öffentliche Flächen
Mit dieser Auflistung bin ich allerdings nicht ganz einverstanden, denn da ist doch einiges unscharf. So z.B. würde ich Mundpropaganda dem Empfehlungsmarketing zuschreiben. E-Mail-Marketing ist für mich ein eigenständiges Marketinginstrument, es sei denn, man möchte Spam-Mails als "Guerilla-Taktik" bezeichnen. Fahrzeugwerbung und T-Shirts sind eher schon den klassischen Maßnahmen zuzuordnen, außer man platziert sein Fahrzeug direkt vor dem Gebäude des Wettbewerbers und zeigt sich mit seinem T-Shirt geschickt vor einer Fernsehkamera. Werbung auf dem Kassenbon würde ich eher unter Kundenbindungsmaßnahmen einsortieren.
Guerilla-Marketing ist, wie der an eine besondere Form der kleinteiligen Kriegsführung (gegen einen übermächtigen Gegner) angelehnte Name unmissverständlich klarmacht, radikaler, öffentlichkeitswirksamer und überraschender.
Bekannte oder bemerkenswerte Beispiele
Da gerade bei dieser Form des Marketings Kreativität, Originalität und Frechheit mehr gefragt ist, als sämtliche wissenschaftliche Definitionen vermuten lassen, hier einige richtungsweisende Beispiele zur Illustration der vielfältigen Möglichkeiten:
- die "Beer Babes" bei der Fifa-WM 2006: Schleichwerbung ohne Werbung
- ganz ähnlich gelagert, aber noch viel plumper und erfolgreicher: die "Dekolletée-Schleichwerbung" durch das Model Larissa Riquelme bei der Fifa-WM 2010 in Südafrika
- die "Arschkriecher-Aktion" im Millerntor-Stadion: provokante Werbeaktion für jobsintown.de
- das "Cellulite-Sofa" als plausible Visualisierung der Wirkung von Nivea
- die "Leiche im Kofferraum" als dramatische Kampagne für die Mafia-Fernsehserie "The Sopranos"
- der "Parkbankstempel" als sehr hautnahe Kampagne für Shorts der Modemarke "Superette"
- die "Muschelfalle" – eine schöne, auf die typisch menschliche Neugier abzielende Aktion eines Restaurants in Mumbai, Indien
- der "Castor-Coup" von Sixt – eine legendäre Aktion, bei der sich Propagandisten von Sixt öffentlichkeitswirksam unter Anti-Atomkraft-Demonstranten gemischt haben
- der "Zebrastreifen" von Meister Proper – eine saubere Straßenaktion, die sofort verständlich ist
- der "Mercedesstern" von Mercedes Benz – eine preisgekrönte Aktion als Einladung zur Testfahrt
- die Aktion "Jeep Parking" – mit ganz wenig Farbe ist vieles ausgesagt
- die "Post-it-Aktion" von Germanwings – an allen Briefkästen im gesamten Stadtbezirk
- die Aktion "Dramatic Surprise" – eine aufwändige Guerilla-Maßnahme eines belgischen Fernsehsenders
Allen Maßnahmen ist gemeinsam, dass sie für ein kleines Budget (bis auf das letzte Beispiel) eine enorm große Wirkung entfacht haben, direkt vor Ort und speziell durch die massive nachfolgende Medienpräsenz sowie die massenhafte virale Verbreitung in Foren und Blogs.
Eine kleine Anekdote aus eigener Erfahrung kann ich noch zum Besten geben. Denn es gibt natürlich auch Guerilla-Maßnahmen, die im B-to-B-Bereich eingesetzt werden. Hierzu blicken wir einige Jahre zurück, als wir einen der größten europäischen Fachverbände für Küchenspezialisten betreuten. Damals, wie heute, war der Wettkampf um Mitglieder enorm und es waren geradezu unerbittliche Vertriebsaktivitäten aller konkurrierenden Verbände damit gebunden, sich gegenseitig die "Kunden" abzunehmen. Das führte in der Spitze so weit, dass anlässlich einer Jahreshauptversammlung des Verbandes "X" mitten in der Nacht an alle Hotelzimmertüren der über 300 Tagungsteilnehmer sog. "Welcome-Packages" des Verbandes "Y" gehängt wurden. Darin enthalten: eine Dokumentenmappe mit der Auflistung der Vorteile einer Mitgliedschaft im Verband Y, ein Mitgliedsantrag, Prospektmaterial und mehrere hochwertige Schreibgeräte. Die "unverschämte" Aktion zog natürlich ihre Wellen und überschattete somit diese Verbandstagung erheblich.
Aber genau hier sind wir bei den Schattenseiten des Guerilla-Marketings. Diese Maßnahmen sind in erster Linie nur dazu geeignet, Aufmerksamkeit zu erregen. Bestenfalls, wenn die Aktion gut gemacht ist, erzeugt man auch noch Sympathiewerte. Dies wären ja die ersten beiden Hürden auf dem Weg zu einer positiven (Kauf-)Entscheidung, also Kundengewinnung. Für eine reine und direkte Kundengewinnungsstrategie kann Guerilla-Marketing alleine aber nicht dienen. Es sollte immer ergänzend, eingebettet in ein strategisches Kommunikationskonzept, eingesetzt werden und auch nur, wenn es sich um eine wirklich originelle Aktion handelt.
Mögliche rechtliche Konsequenzen
Wenn Sie nun inspiriert sind und für Ihr Unternehmen eine solche Kampagne oder Aktion planen, dann sollten Sie sich auf jeden Fall vorher Beratung von einer qualifizierten Marketingagentur und einem auf Wettbewerbsrecht spezialisierten Fachanwalt einholen. Über mögliche rechtliche Konsequenzen, z.B. bei einer unangemeldeten Aktion im öffentlichen Raum, sollten Sie vorher Bescheid wissen und abwägen, ob Sie das Risiko auf sich nehmen. Darüber hinaus sind nationale, regionale und kommunale Besonderheiten zu beachten, z.B. gelten in deutschen Städten ganz unterschiedliche Bestimmungen (und Genehmigungsverfahren) für Werbeaktionen im öffentlichen Raum. Auch die Strafen für wildes Plakatieren etc. unterscheiden sich, was die Standortauswahl Ihrer Aktion beeinflussen sollte.
In meinem nächsten Beitrag widme ich mich dem Thema "Klassische Kommunikation".
Alle Themen dieser Serie:
1. Akquisition per „Marktforschung“
2. Auftragsbörsen / Ausschreibungsportale
3. Direktmarketing / Mailings
4. E-Mail-Marketing
5. Ehrenamtliche Aktivitäten
6. Fachpublikationen
7. Guerilla-Marketing
8. Klassische Kommunikation
9. Kooperationen
10. Microsite / Satelliten-Website
11. Mitarbeitermotivation / Schulungen
12. Netzwerke und Verbände
13. Newsletter-Marketing
14. Online-Marketing
15. Persönliche Vitamin-B-Liste
16. Public Relations
17. Social Marketing
18. Social Networking
19. Sponsoring
20. Straßen- / POS-Aktivitäten (B-to-C)
21. Suchmaschinenoptimierung
22. Telesales / Telefonmarketing / Kaltakquise
23. Veranstaltungen / Messen
24. VKF-Maßnahmen / Promotions
25. Vertriebsdifferenzierung
26. Vertriebspartnerschaften / Multiplikatoren
27. Virales Marketing
28. Webcasts / Webinare
29. Weblog
30. Weiterempfehlungs-Marketing / Referenzen