Unternehmensnachfolge – rechtzeitig die Weichen stellen und klar kommunizieren
Gemäß einer Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) stehen in Deutschland jährlich mehr als 40.000 kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) im Rahmen des anstehenden Generationswechsels vor einem Verkauf oder einer Schließung.
Tendenz steigend. Davon betroffen sind neben den Inhabern oder Inhaberfamilien auch jeweils rund rund 140.000 Arbeitnehmer, die in eine ungewisse Zukunft blicken. Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) schätzt, dass jährlich etwa 22.000 Unternehmen vor der Übertragung stehen, und dadurch je 287.000 Beschäftigte betroffen sind. Wie auch immer: Die Zahlen sind so oder so bedrohlich!
Warum stellt sich die Frage nach dem Unternehmensverkauf?
Häufig findet sich in der Familie kein geeigneter Nachfolger, der die Herausforderung annehmen kann oder will. Dies hat aus meiner Sicht fünf Hauptgründe:
1.) Es gibt schlicht keine Kinder.
2.) Der Nachwuchs ist zu verwöhnt und hat nie gelernt, richtig anzupacken (klingt populistisch, ist aber leider durchaus verbreitet).
3.) Der Senior/Patriarch ist sehr dominant und keiner traut sich, ernsthaft in seine Fußstapfen zu treten bzw. fürchtet sich davor, ständig im Schatten des "Alten" zu stehen, der sich womöglich noch ständig einmischt. Dies gilt natürlich gleichermaßen für gestandene Unternehmerinnen.
4.) Das Geschäftsmodell ist überholt, und der eigene Nachwuchs ist schlau genug, innovativere Ideen zu verfolgen.
5.) Die Talente der nachfolgenden Generation liegen in ganz anderen Bereichen. Wenn ein begnadetes Musik-, Schauspiel- oder Tanztalent den metallverarbeitenden Betrieb des Vaters übernehmen soll, dann ist das in den seltensten Fällen langfristig von Erfolg gekrönt.
Den richtigen Zeitpunkt wählen – je eher, desto besser!
Ein abschreckendes Beispiel aus meinem Wohnort dient mir zur Veranschaulichung: Am 25.08.2011 war in der Filder-Zeitung (Lokalteil der "Stuttgarter Zeitung / Stuttgarter Nachrichten") zu lesen "Die Apotheke an der Osterbronnstraße schließt zum 1. September. Einen Nachfolger gibt es nicht." Im Text wird dann der Betreiber zitiert: "Ich habe ein Jahr lang vergeblich nach einem Nachfolger gesucht." Bei allem Respekt, aber diese Initiative kam definitiv zu spät!
Ich behaupte, dass man sich besser im Vollbesitz seiner Kräfte – ruhig schon mit Mitte 50 – ernsthafte Gedanken machen sollte, ob und wie das Unternehmen nach dem eigenen Ausscheiden weiter geführt werden kann. Einen geeigneten Nachfolger findet man in der Regel nicht in 12 Monaten!
Entscheidende Fragen sich selbst ehrlich beantworten
Folgende Fragen sollte sich dabei jeder Unternehmer rechtzeitig stellen:
- Habe ich innerhalb der Familie das Potenzial eines Nachfolgers / einer Nachfolgerin?
- Gibt es einen Mitarbeiter oder ein Team von Mitarbeitern, die das Unternehmen erfolgreich fortführen können?
- Wie lange habe ich die Energie und/oder Lust, an einer eventuellen Übergangsphase mitzuwirken?
- Gibt es als Alternative Partner, Lieferanten oder gar Kunden, die meine Unternehmung mit übernehmen möchten?
- Wie sieht meine persönliche Altersvorsorge und wirtschaftliche Lebensplanung aus, was will oder muss ich erlösen, um meinen Lebensstandard zu halten?
Gerade der letzte Punkt ist aus meiner Sicht der Knackpunkt. Völlig klar ist, dass der scheidende Unternehmer sein "Lebenswerk" weder verschenken will noch kann. Doch oft stehen die emotionale Bindung und damit die damit subjektiv empfundene Wertigkeit des Unternehmens im krassen Missverhältnis zur tatsächlichen Perspektive oder zum Unternehmeswert. Hier ist Realismus sowie die Fähigkeit zum Loslassen gefragt – und der Rat erfahrener Berater, wie z.B. den Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater aus dem Beraternetzwerk des IBWF, der Beraterorganisation des BVMW, die sich auf solche Nachfolgethemen spezialisiert haben. Holen Sie sich fundierten Rat und entscheiden Sie in Ruhe. Bitte nicht erst im letzten Moment!
Mögliche Modelle – Flexibilität ist Trumpf
Eine anschauliche Übersicht über die unterschiedlichen Szenarien habe ich hier gefunden: Es gibt also eine klare Unterscheidung, ob die Übergabe a.) zu Lebzeiten oder b.) auf den Tod geplant ist (wobei aus meiner Sicht nur bei Ersterem von sinnvoller Planung die Rede sein kann). Wenn wir uns also hier auf die Übergabe zu Lebzeiten konzentrieren, dann gilt es generell die Entscheidung zu fällen, ob eine gleitende oder sofortige Lösung in Frage kommt. Dies gilt gleichermaßen für die Übergabe innerhalb der Familie oder an Dritte. Die schlechte Nachricht an dieser Stelle: Es gibt ihn leider nicht, den universell richtigen Weg.
Was bedeutet gleitende Lösung? Sie als ausscheidender Inhaber arbeiten noch für einen definierten Zeitraum aktiv mit, begleiten Ihren Nachfolger und reduzieren Ihre Tätigkeit, nach einem Stufenplan, bis zum vollständigen Ausscheiden. Bei der sofortigen Lösung erfolgt die Stabübergabe dadurch, dass der oder die Nachfolger sofort die gesamte Verantwortung übernimmt/übernehmen. Völlig unabhängig davon geschieht die Finanzierung: In beiden Modellen ist eine Einmalzahlung, ein Stufenmodell, eine Verrentung bzw. Mischformen daraus für den Kapitalfluss denkbar.
Die optimale Form der Übergabe bzw. der Übernahme hängt individuell von den beteiligten Persönlichkeiten und deren Vorstellungen bzw. Möglichkeiten ab. Natürlich müssen sich zuerst die finanziellen Vorstellungen des ausscheidenden Unternehmers und seines Nachfolgers decken und dann müssen sämtliche rechtlichen und steuerlichen Aspekte dieser Operation für beide Seiten zufriedenstellend geregelt sein. Was aber leider viel zu häufig vernachlässigt wird: Familie, Mitarbeiter, Kunden, Banken und Lieferanten müssen aktiv und strategisch in das gewählte Szenario einbezogen werden!
Unternehmensnachfolge ist eine Kommunikationsaufgabe
Neben allen wichtigen menschlichen, finanziellen, rechtlichen und steuerlichen Aspekten ist eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge aus meiner Sicht vor allem eine ernsthafte Kommunikationsaufgabe. Es gibt sehr viele verschiedene Ebenen, die im Rahmen der Nachfolge offensiv informiert werden müssen: die Familie, die Mitarbeiter, Banken, Investoren, Vermieter, Lieferanten, Partner, Dienstleister und Kunden – letztendlich geht es darum, Kontinuität – gepaart mit frischer Energie – an den richtigen Stellen, zum richtigen Zeitpunkt zu argumentieren. Das Ziel muss lauten: Begeisterung aller Beteiligten für die neue Situation. Dies ist die erste und wichtigste gemeinsame Mammutaufgabe der beiden Vertragspartner, des ausscheidenden und des zukünftigen Unternehmers. Auch zu dieser Kernaufgabe einer erfolgreichen Unternehmensnachfolge sollten Sie sich qualifizierte Beratung holen. Ein paar schlampig vorbereitete interne Gespräche, Rundbriefe oder Kundenanschreiben mit falscher Argumentation zum falschen Zeitpunkt können veritablen Schaden anrichten.
Machen Sie aus der Nachfolge einen strategischen Prozess und sichern Sie sich das Vertrauen und die Begeisterung aller Beteiligten. Viel mehr noch: Erzeugen Sie durch die Unternehmensnachfolge einen neuen Geist, eine Aufbruchstimmung, die ganz neue Energien freisetzt! Die historische Chance ist da.
Nachfolgebörsen und weitere Informationen
Zuletzt hier noch eine kleine Auflistung von Nachfolgebörsen (teils kommerzielle Anbieter) und vertiefenden Informationen:
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