14
Mai
2014

Hilfe, wir sind überlastet!

Dr. Sonja Radatz: Hilfe, wir sind überlastet!Überlastung allerorts: Hier verzweifelte Führungskräfte, die viel Zeit und Aufwand damit verbracht haben, schöne Aufgabenpakete zu schnüren, und diese nun geordnet verteilen wollen, aber niemanden finden, der „noch Kapazitäten hat". Dort verzweifelte Mitarbeiter, die komplett „voll" sind in ihrem Arbeitstag und nun immer mehr Druck verspüren, „noch mehr" zu tun. Die Auswirkungen: Die Stimmung sinkt, die Konflikte steigen, die Burnout-Gefahr nimmt zu.

Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder über diese Dynamik nachgedacht. Irgendetwas konnte daran nicht stimmen. Und: Irgendwo musste es einen Denkfehler geben, der diese Thematik überhaupt erst zum Entstehen bringen würde. Ich habe nicht einen, sondern zwei Denkfehler gefunden, die dazu führen, dass Mitarbeiter überlastet sind. Es würde schon reichen, wenn nur einer davon angewendet würde; fast alle Unternehmen wenden jedoch beide an und begeben sich damit auf eine höllische Reise. Warum spreche ich von „Denkfehlern"? Weil es Gedankengänge sind, die wir nur im beruflichen Bereich, in Unternehmen und Organisationen anwenden, während wir uns im täglichen Privatleben niemals so verhalten würden. Wir wüssten also, wie es besser ginge – und tun doch immer wieder das Gleiche.

Denkfehler 1: Wir vergeben Aufgaben anstatt Verantwortungen.

Wir verteilen also Aufgabenpakete, die wir als Vorgesetzte schnüren und die nach getaner Arbeit bei uns wieder zusammenlaufen müssen, um sie zu einem fertigen Ergebnis zu gestalten – anstatt Verantwortungen zu vergeben, wissend, dass alles, was diese Verantwortung betrifft, automatisch dort bearbeitet und zum Ergebnis gebracht wird. Das würden wir im Privatleben niemals tun: Wir geben unser Auto in die Verantwortung einer Kfz-Werkstatt und lassen es dort prüfen und reparieren – wir würden niemals an den Kfz-Mechaniker ein Aufgabenpaket vergeben und dann prüfen, ob die einzelnen Schritte getan wurden. Wir würden auch nicht dem Nachbarn eine To-Do Liste geben oder der Kassiererin im Lebensmittelhandel. Und unserem Partner schon gar nicht – hoffentlich. Tun wir das im Beruf nur, weil wir glauben, als Vorgesetzte wüssten wir (am besten) Bescheid?

Denkfehler 2: Wir folgen dem Prinzip der additiven Arbeit anstatt jenem der verantwortlichen Gestaltung.

Damit meine ich, dass wir – nun sind wir auf der Mitarbeiterseite – im Berufsleben unsere Aufgaben aneinanderreihen („Für diese Aufgabe brauche ich 5 Stunden pro Woche, plus die 3 Stunden in diesen Meetings, plus 14 Stunden für die neue Aufgabe ..."), anstatt dass wir bei jeder Herausforderung, die dazukommt, unser Gestaltungsfeld nochmals neu ordnen würden: Wie können wir mit unserer begrenzten Zeit die gesamten Herausforderungen so wuppen, dass wir ihnen gerecht werden?

Auch das würden wir im Privatleben nicht tun. Sonst müssten wir spätestens beim 3. Kind vehement einen dritten Elternteil anfordern. Wir brauchen auch nicht doppelt so viel Zeit, um für mehr Personen einzukaufen. Und wenn uns unser Nachbar unverhofft ein Grundstück zu unserem eigenen dazuschenkte, würden wir ganz bestimmt nicht unsere Gartenarbeit verdoppeln, sondern unsere Zeit ganz einfach anders einsetzen, um einen ordentlichen Garten zu erhalten.

Was das in Folge bedeutet? Wenn wir unsere "Aufgabenverteilungen" in "Verantwortungsübertragung" umwandeln und mit unseren Mitarbeitern bei jeder neuen Herausforderung daran arbeiten, das Feld wieder einmal grundlegend neu zu gestalten, haben wir unglaublich viel erledigt. Und das ganz einfach. (Das Thema komplett im Buch von S. Radatz „Relationales Mitarbeitercoaching und Mitarbeiterbegleitung."

Geschrieben von Dr. Sonja Radatz Kategorie Unternehmensführung

Über den Autor

Dr. Sonja Radatz

Dr. Sonja Radatz

Dr. Sonja Radatz ist Begründerin des Relationalen Ansatzes©, Eigentümerin und Geschäftsführerin des Instituts für Relationale Beratung und Weiterbildung in Wien sowie Herausgeberin der Zeitschrift „LO Lernende Organisation“. Die Autorin von 16 Büchern wurde 2003 mit dem Deutschen Preis für Gesellschafts- und Organisationskybernetik für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

Institut für relationale Beratung und Weiterbildung
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