07
Oktober
2015

Bescheuerte Claims (Teil 2)

Ingo Vögele über Werbeverweigerer

Mein letzter Beitrag in dieser Thematik hat große Kreise gezogen und viele Diskussionen ausgelöst, jedenfalls ereilten mich sehr viele Rückmeldungen hierzu. Daher ist es höchste Zeit, dass ich mir wieder mal die dümmsten Ergüsse der Kommunikationsbranche zur Brust nehme und genüsslich zerlege. Heute lege ich den Schwerpunkt auf die Tourismusbranche, die stets ein wahres Füllhorn an kabarettistischen Steilvorlagen ausschüttet.

Los geht's!

Ferienland Schwarzwald – Große Berge, feuchte Täler & jede Menge Wald

Ferienland Schwarzwald – Große Berge, feuchte Täler & jede Menge WaldDieser von der Ferienland im Schwarzwald GmbH in Schönwald ausgerufene flotte Werbespruch ist für sich ja eigentlich nahezu unverfänglich. Richtig interessant wird er erst mit der dazu platzierten eindeutigen Frauensilhouette, sodass wir alle auch genau verstehen, was gemeint ist – „zwinker, zwinker". Entschuldigung, das ist dümmlich, platt und in keiner Weise witzig – zumindest nicht mehr im 21. Jahrhundert. Entsprechend groß war der Shitstorm, der die Verantwortlichen 2014 überrollt hat. Die Kampagne wurde daraufhin recht schnell eingestellt. Zu Recht!


Triberg im Schwarzwald / 1. Männer-Parkplatz – Steile Berge, feuchte Täler ...

Triberg im Schwarzwald / 1. Männer-Parkplatz – Steile Berge, feuchte Täler ...Nachdem sich die Kollegen aus Schönwald eine so richtig blutige Nase geholt hatten, war man in der nahe gelegenen Triberger Stadtverwaltung extrem vorwitzig (oder einfach doof) und ging sogar noch einen Schritt weiter. Da der Spruch dem Triberger Bürgermeister offensichtlich sehr gut gefallen hatte, hielt er ihn für originell genug, den weltweit 1. Männer-Parkplatz damit zu bewerben. Dabei schaffte man hier gleich eine doppelte Steigerung der Peinlichkeit:

1.) Warum überhaupt ein „Männer-Parkplatz"? Die Antwort liefert Gallus Strobel, der Bürgermeister der 5.000-Einwohner-Gemeinde im Schwarzwald-Baar-Kreis, prompt: „Die Stellplätze sind sehr schwer zu befahren, da kommt man eigentlich nur rückwärts rein. Da haben wir die Idee gehabt, daraus welche für Männer zu machen." Das ist ja schon mal der chauvinistische Supergau an sich, aber damit nicht genug ...

2.) ... die illustrierende Silhouette einer Frau wollte man hier in Triberg doch noch um einiges plakativer, spektakulärer und vor allem schlüpfriger gestalten als die Kollegen in Schönwald. Das ist mittels Künstlerhand auch sehr gut gelungen, wir alle verstehen nun, was mit „steilen Bergen" usw. eigentlich gemeint ist.

Aber ich stelle die Frage: Hilft dieses Wandgemälde wirklich Männern beim Einparken?

Wie auch immer. Auch hier folgte ein riesiger Shitstorm und dann ein zaghafter Versuch, das Malheur mittels künstlerischer „Umgestaltung" einzudämmen. Alles vergebens, die Sache ist und bleibt ein platter und vulgärer Herrenwitz – weit weg von cleverem Marketing.


Bochum macht jung!

Bochum macht jung!Wir wechseln das Bundesland, gehen nach NRW und zeitlich etwas zurück. Im Jahre 2007 hatte die Stadt Bochum die grandiose Idee, eine Imagekampagne zu starten. Man wollte sich innovativ, jung, kreativ und dynamisch profilieren. Die Kampagne mit dem Claim „Bochum macht jung" wurde gestartet. Ausgerechnet Bochum – ein Jungbrunnen? Das war mir so noch nicht bekannt. Bereits Herbert Grönemeyer charakterisierte diese Stadt 1984 wie folgt: „wo die Sonne verstaubt", „keine Schönheit", „vor Arbeit ganz grau", „ständig auf Koks" usw. – da muss also zwischen 1984 und 2007 eine ganze Menge passiert sein.

Auf jeden Fall gab es innerhalb Bochums einigen Zirkus um diese Kampagne. Das Vergabeverfahren war undurchsichtig, die ausführende Werbeagentur saß in Essen, die Gemeinderäte waren nicht eingeweiht, das Eröffnungsfest ging in die Hose, der Etat von 900.000 Euro war eigentlich gar nicht vorhanden usw. – kurzum: Die Stadt und ihre Entscheidungsträger sahen innerhalb kürzester Zeit – entgegen dem Claim – ziemlich alt aus.


Bielefeld bewegt.

Bielefeld bewegt.Wen oder was? Die Erholungssuchenden hinein oder die Einwohner hinaus? Man weiß es nicht.

Auf jeden Fall wollte die Bielefeld Marketing GmbH die ostwestfälische „Großstadt" Bielefeld dadurch „modern, innovativ, lebenswert" präsentieren. Aha, Bewegung ist in Ostwestfalen also innovativ!? Wenn ich an den, aus dem nahe gelegenen Paderborn stammenden Comedian Rüdiger Hofmann denke, dann könnte da sogar was dran sein.


Bonn – Freude. Joy. Joie. Bonn

Bonn – Freude. Joy. Joie. BonnDie Stadt Bonn hat nach innen wie nach außen ein nachvollziehbares Imageproblem. Obwohl als über 2000 Jahre alte Siedlung eine der ältesten Städte Deutschlands, liegt die Blütezeit der Stadt in den Jahren 1949 bis 1990, in denen man sich in Bonn mit dem Attribut „Bundeshauptstadt" schmücken durfte. Die Regierung und der Bundestag hatten hier ihren Sitz, von hier aus wurde Geschichte geschrieben. Das war schon einzigartig.

Nun, da Berlin wieder offiziell Hauptstadt ist, haben zwar noch etliche Ministerien und Organisationen hier ihren Sitz, darunter die UN. Aber es ist einfach nicht mehr dasselbe. Was blieb? Die ehemalige „Bundeshauptstadt" darf sich nun „Bundesstadt" nennen. Das ist eine entwürdigende Degradierung, die natürlich nach einer fulminanten Imagekampagne schreit. Die Stadtoberen wollten ihren Bürgern die Freude zurückgeben und so sollte es geschehen: „Freude. Joy. Joie. Bonn" wurde geboren.

Liest sich zwar absolut holprig, ist aber dreisprachig, weltoffen und total stylish. Vor allem, weil der Claim, Slogan oder Werbespruch vorne dran steht! Das ist wahrhaft revolutionär, innovativ und es bedeutet: Freude pur! Aber mal im Ernst: Kennen Sie Bonn?


Sachsen-Anhalt – wir stehen früher auf

Sachsen-Anhalt – wir stehen früher aufRaus aus kommunalen Peinlichkeiten, auch Bundesländer können komisch kommunizieren. Die erste Frage, die ich mir natürlich stelle, ist: Wie kommen die auf so was? Schon nach kurzer Recherche bei Wikipedia wird mir klar, dass das auch noch stimmt! Die Bürger Sachsen-Anhalts stehen in der Tat früher auf als der Durchschnitt aller Bundesbürger. Interessanterweise, auch das nennt Wikipedia, weil 8 % der Erwerbstätigen (mangels wohnortnahen Arbeitsplatzes) sehr lange Wege zum Arbeitsplatz auf sich nehmen müssen. Ist das positiv? Nein, das ist Negativwerbung, die man ehrlicherweise mit „Sachsen-Anhalt – wir wollen hier weg" hätte titulieren müssen.

Ganz ehrlich, mich persönlich würde es eher in ein Bundesland ziehen, das mit dem Claim „Wir sind ausgeschlafen" für sich wirbt.

Haben Sie auch Fundstücke dieser Art, die Sie stören, dann her damit! Diese Liste werde ich sukzessive ergänzen. Auf Ihre Vorschläge freue ich mich sehr!

Geschrieben von Ingo Vögele Kategorie Glosse, Marketing

Über den Autor

Ingo Vögele

Ingo Vögele

Ingo Vögele ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der modus_vm GmbH & Co. KG. Mit 25 Jahren Erfahrung in der strategischen Beratung mittelständischer Kunden, begeistert er seine Kunden mit kreativen Lösungen rund um die Themen Marketing, Vertrieb und Kommunikation.

Als erfahrener Mittelstandsberater bietet Ingo Vögele im Rahmen seiner Akkreditierung im RKW geförderte Beratungen und Coachings an. Ferner ist Ingo Vögele als Unternehmensberater Mitglied im ExpertenRing Region Stuttgart.

Im lokalen Umfeld engagiert sich Ingo Vögele als Vorstand und Pressesprecher des VVF e. V., dem aktiven Handels- und Gewerbeverein in Stuttgart-Vaihingen.

Bücher zur Kundengewinnung

Wie Sie Kunden gewinnen von Ingo VögeleAm 21.11.16 ist der Praxis-Ratgeber "Wie Sie Kunden gewinnen. Erfolge online und im lokalen Umfeld" erschienen. Auf 176 Seiten erhalten das erforderliche Wissen und konkrete sowie sofort umsetzbare Impulse für Ihre erfolgreiche Akquise. Weitere Informationen und Bezugsquellen hierzu im Newsbeitrag auf modus-vm.de.

 

 

Kundengewinnung online – das zweite Fachbuch von Ingo VögeleAnfang November 2014 ist das zweite Fachbuch "Kundengewinnung online – Akquise konkret" von Ingo Vögele erschienen. Weitere Informationen und Bezugsquellen hierzu im Newsbeitrag auf modus-vm.de.

 

 

 

Titel Kundengewinnung im lokalen Umfeld von Ingo Vögele"Kundengewinnung im lokalen Umfeld" von Ingo Vögele ist am 04. Sept. 2014 ebenfalls als Printausgabe erschienen. Weitere Informationen und Bezugsquellen hierzu im Newsbeitrag auf modus-vm.de.

 

 

 

Ingo Vögele: Kundengewinnung im lokalen Umfeld – Akquise konkretAm 20.02.2014 ist das E-Book "Kundengewinnung im lokalen Umfeld – Akquise konkret" von Ingo Vögele erschienen. Weitere Informationen und Bezugsquellen hierzu im Newsbeitrag auf modus-vm.de.