Armes Deutschland. Die UVV-Fahrzeugkontrolle!
Ich will, nein, ich muss mich aktuell aufregen!
Heute erhielt ich ein fröhliches Schreiben unseres Autohauses, dass es nun an der Zeit wäre für die regelmäßige Wartung nach Herstellervorgabe, kurz: Die Inspektion steht an.
Zum Hintergrund: Ich fahre einen Geschäftswagen der oberen Mittelklasse, den mein Unternehmen eigens für mich geleast hat und dies auch regelmäßig alle drei Jahre wiederholt. So richtig alt und klapprig werden demnach unsere Fahrzeuge nicht und es fährt auch keiner unserer Mitarbeiter damit herum.
Mein Blut in Wallung versetzt hat jedoch innerhalb dieses o.g. Schreibens das kleine Sätzchen: "... vergessen Sie zudem nicht, die von der Berufsgenossenschaft geforderte jährliche UVV-Fahrzeugkontrolle gleich mit durchführen zu lassen!" und weiter "Das spart Zeit und schont Ihren Geldbeutel".
Wie bitte, was um alles in der Welt ist eine UVV-Fahrzeugkontrolle???
Den Servicemitarbeiter meines Autohauses habe ich am Freitagnachmittag natürlich nicht mehr erreicht. Gut für ihn (wobei er persönlich bestimmt nichts dafür kann), denn ganz grundsätzlich vermute ich feiste Geldmacherei unter dem Deckmäntelchen der sozialen Verantwortung.
Meine Recherche ergab Folgendes:
- UVV bedeutet Unfallverhütungsvorschrift
- die sog. "Fahrzeugkontrolle" ist geregelt in § 57 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Fahrzeuge" (BGV D29, bisherige VBG 12) – ach ja, die gute alte VBG 12, wie werden wir sie vermissen!
- dieser Paragraf besagt, dass gewerblich genutzte Fahrzeuge bei Bedarf, mindestens jedoch einmal jährlich, durch einen Sachkundigen auf ihren betriebssicheren Zustand zu prüfen sind.
- Privatfahrzeuge, die zu dienstlichen oder geschäftlichen Zwecken eingesetzt werden, bleiben von der UVV unberührt
- die Hauptuntersuchung (TÜV/Dekra etc.) konzentriert sich rein auf die Verkehrssicherheit
Aber jetzt kommt's: Wer kümmert sich um die Betriebs- und Arbeitssicherheit? Na klar, die Berufsgenossenschaften!
Dafür bin ich wirklich sehr dankbar, denn daran habe ich bislang gar nicht gedacht. Da steige ich täglich komplett unbedarft in meinen nun immerhin schon zwei Jahre alten Wagen ein und habe trotzdem noch nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet, welche erheblichen Gefahren – auch ohne Unfallgegner – hier auf mich lauern könnten.
Einige Horrorvisionen, die ich mir da nun ausmale:
- die aus Materialermüdung labil gewordene Sonnenblende, die mir plötzlich mitten in der Fahrt die Sicht nimmt
- ein sich spontan entleerendes Handschuhfach, da das Schloss durch die extreme Beanspruchung, nach zwei Jahren, völlig ausgeleiert ist
- sich plötzlich durch Zellteilung, Osmose oder andere biodynamische Prozesse, von denen ich nichts verstehe, herausbildende scharfkantige Erhebungen innerhalb meines Fahrzeuginterieurs, die direkt meine Gesundheit bedrohen – oder zumindest meine "Berufs"-Kleidung aufschlitzen können
- ein klemmendes Seitenfenster, sodass ich nicht mehr am Drive-In-Schalter Nahrung aufnehmen könnte – ich wäre quasi gezwungen auszusteigen und würde unvorhersehbaren Gefahren ausgesetzt
- ungesicherte Ladung (also mein Aktenköfferchen), das im Kofferraum erheblichen Schaden anrichten könnte
- ... oder ein kleiner Steinschlag in der Windschutzscheibe und dann plötzlich "krackckck!!!" – ach nein, hierum kümmert sich ja die Abteilung Verkehrssicherheit bei der Hauptuntersuchung, da kann ich als gewerblicher Nutzer eines gewerblichen Fahrzeuges ganz beruhigt sein
Leider scheint die Sache aber ernst zu sein!
Wichtige Bestandteile der UVV (Quelle: www.fuhrparktreff.de):
- Warnwestenpflicht
- Ladungssicherung
- Fahrzeugprüfung durch Fahrpersonal
- Fahrzeugprüfung durch Sachkundige
Fahrzeugprüfung durch Fahrpersonal
- lichttechnische Einrichtungen auf Funktion
- Sauberkeit / Schadenfreiheit
- Räder auf sichtbare Beschädigungen und Profiltiefe
- Bremsen auf Funktionsfähigkeit
- Motor und Antrieb auf ausreichend Kraftstoff, Öl, Kühlflüssigkeit (im Winter Frostschutzmittel)
- Führerhaus, Aufbau/Ladung, unbeschädigte Rückspiegel, Sicherheitsgurte, Scheiben und Sichtfeld, Lesbarkeit des amtlichen Kennzeichens
- korrekte Ladungssicherung
- Anhänger-/Aufliegerbetrieb – funktionstüchtige Kupplung
- ist erforderliches Zubehör vorhanden wie z.B. Unterlegkeile …
- Warndreieck, Verbandskasten, Warnweste
- sind Betriebsanleitung und -anweisungen vorhanden?
- im Winter: Hilfsmittel zur Reinigung vereister Scheiben und gegebenenfalls Schneeketten
>>> Klar, das klingt natürlich so, als ob es hauptsächlich für Kraftfahrer im Güterverkehr gilt. Aber selbstverständlich checken wir, als verantwortungsbewusste Kraftfahrer von geschäftlich genutzten PKWs, unser Arbeitsgerät vor jeder Fahrt ins Büro mindestes genauso intensiv. Ich jedenfalls schon, Sie auch? ;-)
Fahrzeugprüfung durch Sachkundige
Nach Paragraf 57 BGV D29 muss die Überprüfung mindestens einmal im Jahr durch einen Sachkundigen geprüft werden. Diese Prüfung hat nichts mit der Hauptuntersuchung nach Paragraf 29 StVZO zu tun.
Warum ich und Sie diese ganz wichtige zusätzliche Untersuchung auf jeden Fall durchführen lassen sollten, entnehmen wir einer Beurteilung von Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, Lohmar: Wenn man also im Fuhrpark die vorgeschriebene Hauptuntersuchung nur alle 2 Jahre durchführt, dann muss darauf geachtet werden, dass zumindest jedes Jahr Kfz-Inspektionen der Fuhrparkfahrzeuge durchgeführt werden. Wird die vorgeschriebene jährliche Prüfung nicht vorgenommen, dann stellt dies eine vorsätzliche oder fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach § 209 Abs.1 Nr.1 SGB VII i. V. m. § 58 BGV D 29 dar, sodass ein Bußgeld hier auch den Fuhrparkleiter treffen kann. Nach § 209 Abs.3 SGB VII kann eine solche Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro geahndet werden.
Na dann, gute Nacht Deuschland, wir regulieren uns hier definitiv zu Tode! Hier macht es wirklich Spaß, Unternehmer zu sein.