19
August
2014

Interrobang – das unbekannte Satzzeichen!?

Martin Marotz: Interrobang – das unbekannte Satzzeichen!?

Vermutlich die wenigsten Leser dieses Beitrags werden schon einmal davon gehört haben. Ich bin auch eher zufällig darauf gestoßen, finde aber, dass die Geschichte des Interrobangs lesenswert ist.

Was ist eigentlich das Interrobang?

Eine Vielzahl der heute im Sprach-/Schriftgebrauch verwendeten Zeichen stammen aus der Antike, was eine Erklärung zu deren Herkunft schwierig, wenn nicht sogar unmöglich macht. Doch auch in jüngerer Zeit entstehen noch neue Satzzeichen wie zum Beispiel das Interrobang „‽"

Als Schöpfer des Interrobangs wird der US-Amerikaner Martin K. Speckter benannt. Speckter war Inhaber einer Werbeagentur und gab ein zweimonatlich erscheinendes Magazin namens Typetalks heraus, das sich mit Werbung und Typografie beschäftigte.

Speckter störte sich daran, dass immer mehr Texter zur Betonung Frage- und Anführungszeichen kombinierten (»Wie bitte!?«). Mit seinem eigenen Magazin hatte er jedoch eine perfekte Plattform, dem Problem öffentlichkeitswirksam zu Leibe zu rücken. 1962 erschien ein entsprechender Artikel von ihm, indem er sich dafür aussprach, die Schreibweise !? bzw. ?! durch ein einzelnes Zeichen zu ersetzen. Weder Form noch Name des ‽ standen jedoch auf Anhieb fest. Der Artikel präsentierte für die Gestaltung des Zeichens jedoch schon ein paar mögliche Darstellungen.

Als Namen hatte sich Speckter »Exclamaquest« oder »Interrobang« ausgedacht. Am Ende seines Artikels rief er die Leser zu eigenen Namens- und Designvorschlägen für das neue Zeichen auf. Der Artikel verfehlte sein Ziel nicht und so wurde das Thema auch in namhaften Tageszeitungen besprochen.

Wie erhofft, kamen von den Lesern auch weitere Namensvorschläge. »Emphaquest«, »Interrapoint« und »Exclarogative« waren nur einige der Vorschläge. Doch durch die Vielzahl an Zeitungsberichten zum Thema war Speckters Arbeitstitel »Interrobang« bereits auf dem besten Weg, sich zu etablieren.

Allerdings war es mit der reinen Idee und einer grafischen Ausarbeitung zu einem neuen Satzzeichen nicht getan, denn es musste auch die technische Infrastruktur geschaffen werden, um das neue Zeichen nutzen zu können, da in den 1960er-Jahren im Schwerpunkt Schreibmaschinen sowie Blei- und Fotosatz in Verwendung waren und diese Systeme nicht ohne Weiteres mit neuen Zeichen ausgestattet werden konnten. Vor allem Systeme mit Tasteneingabe benötigten Platz auf der Tastatur für das neue Zeichen.

1966 erschien jedoch mit der auch heute noch recht bekannten Americana die erste Bleisatz-Schrift, die ein Interrobang enthielt.

In einem im "Time Magazine" erschienen Artikel hieß es dazu, dass American Type Founders das neue Zeichen von nun an in alle Schriften integrieren wolle. Dieses Versprechen wurde jedoch nur in recht geringem Umfang eingehalten, denn es wurde nur noch ein fetter Schnitt der Americana herausgebracht. Das kann aber auch daran gelegen haben, dass sich das Unternehmen kurz darauf aus der Schriftherstellung zurückzog.

Im Jahr 1968 integrierte erstmalig ein Schreibmaschinenhersteller, das Unternehmen Remington Rand, das ‽ in seine elektrische Schreibmaschine Modell 25.

Schreibmaschinenhersteller Remington Rand integrierte das Interrobang in seine elektrische Schreibmaschine Modell 25.

Das war genau zu der Zeit, als die Schreibmaschinen aus dem Büroalltag nicht mehr wegzudenken waren. Die Einführung des Zeichens auf der Schreibmaschine führte erneut zu landesweiter Berichterstattung, die jedoch von lobend über kritisch bis hin zu ablehnend alle Facetten hatte.

Nach dieser kurzen Hochphase gegen Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre ließ die Begeisterung für das neue Zeichen merklich nach. Die Linotype- und Monotype-Satzmaschinen, die in Buch- und Zeitungssatz nach wie vor im Einsatz waren, boten dem Zeichen keinen Platz und verhinderten dadurch die weitere Verbreitung in gedruckten Texten. Durch die technologische Weiterentwicklung vom Bleisatz zum Fotosatz wurde das Zeichen weiter verdrängt, weil das Interrobang nicht in die Standardzeichensätze der Fotosatz-Geräte integriert wurde.

In digitalen Schriften sind Beschränkungen in den Zeichensätzen heute kein Thema mehr und so findet sich das Zeichen wieder vermehrt in den verschiedensten Schriften. Auch seinen Weg in den Unicode (U+203D) hat es gefunden, unter Microsoft Windows kann man das Interrobang durch den Alt-Code Alt+8253 darstellen, sofern das Zeichen im Zeichensatz enthalten ist, auf Linux-Systemen mit neueren Versionen von X11 lässt sich das Zeichen durch Compose+!? eingeben, sodass dem Einsatz aus technischer Sicht nun keine Grenzen mehr gesetzt sind.

Nach wie vor bleibt dem Interrobang aus Platzgründen der Sprung auf die Tastaturbelegung verwehrt und wird weiterhin seinen Status als »Sonderzeichen« behalten.

Und man will es kaum glauben, auch heute wird das Zeichen noch und wieder genutzt, zwar hauptsächlich als dekoratives Typografie-Element und neuerdings in der Internet- und der mobilen Kommunikation. Hier wird die Zeichenfolge ?! in einem ähnlichen Sinn benutzt, da zur Vermittlung des Inhalts meist nur der Text dient, so zeigt die Zeichenkombination an, dass der Inhalt einer vorangegangenen Aussage zwar logisch verstanden, aber dennoch rhetorisch in Frage gestellt wird.

Wie das Interrobang in einigen modernen Schriften, beispielsweise in der Tierra Nueva, Palatino, Brill, Calibri (v.l.n.r.) aussieht, sehen Sie hier.

Interrobang in Tierra Nueva, Palatino, Brill, Calibri (v.l.n.r.)

Ich finde, das Interrobang ist ein wirklich tolles Zeichen, und werde es, wenn es passt, auch gerne verwenden.

Geschrieben von Martin Marotz Kategorie Design, Technik

Über den Autor

Martin Marotz

Martin Marotz

Martin Marotz ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der modus_vm GmbH & Co. KG. Vor der Gründung von modus_vm war er über 15 Jahre als Werbe- und Marketingleiter in unterschiedlichen Unternehmen der Markenartikelindustrie tätig. Heute berät er bei modus_vm eine Vielzahl von mittelständischen Kunden in Marketingfragen mit immer neuen Ideen.

Im lokalen Umfeld engagiert sich Martin Marotz als Verantwortlicher für die Geschäftsstelle des VVF e.V., dem aktiven Handels- und Gewerbeverein in Stuttgart-Vaihingen.

Im Privaten engagiert sich Martin Marotz ehrenamtlich als Schwimmtrainer im Sportverein Vaihingen. Der ausgebildete Rettungsschwimmer und Schwimmtrainer trainiert Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 17 Jahren, sorgt für die richtige Schwimmtechnik und verbessert die Kondition der jungen Schwimmer. Für Erwachsene Schwimmer bietet er Kurse zur Verbesserung der Schwimmtechnik an.